Der Künstlerinnenpreis NRW

Der Künstlerinnenpreis NRW wird zukünftig nicht mehr ausgeschrieben.

Seit 1996 wurde der Künstlerinnenpreis des Landes Nordrhein-Westfalen zweiundzwanzig mal in unterschiedlichen Kunstsparten vergeben und gefeiert. Eine tabellarische Übersicht über die Preisträgerinnen finden Sie hier: Preisträgerinnen – Frauenkulturbüro NRW (frauenkulturbuero-nrw.de)

Im Archiv ist alles wissenswerte über die jeweiligen Besetzungen und Begründungen der Juries zu finden, sowie auch die Laudationes zu den Preisträgerinnen. Künstlerinnenpreis seit 1996 – Frauenkulturbüro NRW (frauenkulturbuero-nrw.de)

Der letzte Künstlerinnenpreis NRW wurde im Bereich Digital Art vergeben, hier geht es zur offiziellen Website mit interessanten Blogbeiträgen:  https://digitalart.kuenstlerinnenpreis.nrw/

Rückblick auf 2022 – Digital Arts

Ausstellung der Preisträgerinnen des KünstlerinnenPreises des Landes NRW
Joan Heemskerk und Nieves de la Fuente Gutiérrez

Einführung von Prof. Anke Eckardt

Für Joan Heemskerk, eine Pionierin digitaler Kunst, die seit 27 Jahren eigene und als Teil von jodi.org kollektive Arbeiten im, mit und über das World Wide Web realisiert, ist das Internet ständig präsent.
Sie begegnet diesem kontinuierlich sich wandelnden Möglichkeitsraum mit Liebe wie auch Respekt, verwoben mit einem anti-institutionellen, anti-autoritären Ansatz für Kunst und Kultur. Die Kombination aus Erforschung, Dekonstruktion und Neukonfiguration von Technologie und elektronischen Medien ist für sie der ultimative Weg zur Freiheit in der heutigen Informationsgesellschaft. Dabei erkennt sie zugleich, dass das Internet zu einem engen Labyrinth geworden ist und es manchmal notwendig sein kann, vom Netz zu gehen.
Der konzeptionelle Hintergrund ihrer neuen Arbeit „Prototype“ ist die kritische Auseinandersetzung mit der Grundlage digitaler Datenverarbeitung schlechthin, mit dem binären Rechnen. Nach wie vor beruht die Grundlage menschlichen Denken und Handelns in digitalen Kontexten auf der Unterscheidung zwischen 0 und 1, also der Konstruktion der gesamten digitalen Struktur anhand von zwei diskreten Zuständen. Vor diesem Hintergrund erscheint „Prototype“ wie eine humorvolle Fantasie, es handelt sich um nicht weniger als den Vorschlag, Zwischenzustände zu initiieren, zu integrieren oder anders formuliert: die Idee des nicht-binären Rechnens.
Ohne Zugriff auf die normal Sterblichen bisher vorenthaltenen Möglichkeiten des Quantencomputings kann dies bisher nur als Prototyp, als poetischer, wissenschaftlicher Fake realisiert werden. „Prototype“ ist eine generative Arbeit, die halb als Text, halb als Bild erscheint. Die Künstlerin nutzt eine von ihr getroffene Auswahl von Formulierungen, also Text als Eingangsinformation, die sie zunächst in ein hexadezimales System übersetzt. In der Mathematik und Informatik ist das Hexadezimalsystem ein Positionszahlensystem, das 16 verschiedene Symbole verwendet, meist „0“-„9“ für die Werte 0 bis 9 / und „A“-„F“ für die Werte von 10 bis 15. Hexadezimale Zahlen bieten, so eine Perspektive unter codern, eine menschenfreundlichere Darstellung von binär codierten Werten. Von da aus nimmt Joan Heemskerk einen weiteren Datentransfer vor, der in einer Visualisierung resultiert. Zu sehen ist eine Wärmekarte in 3D, die sich generativ auf Basis der eingehenden Texte verändert und auf diese Weise Inhalte sinnlich erfahrbar werden lässt.
„Prototype“ beruht wie viele von Joan Heemskerk´s Werken auf der intuitiven Einsicht, dass digitale Technologien potenziell viel mehr Möglichkeiten haben, als Handbücher und die Industrie uns glauben machen wollen. Die digitale Welt, die uns umgibt, wird schnell zu einem unhinterfragten Ordnungssystem, wenn es nicht Menschen wie Joan gäbe, die uns zeigen, dass ihre Grenzen und Regeln fließend sind.

Auch die Förderpreisträgerin Nieves de la Fuente Gutiérrez setzt mit „Alvirah und Willy“ eine neue künstlerische Arbeit für die Ausstellung um. Gutiérrez ist Künstlerin, Forscherin und kritische Denkerin. Im Kern ist ihre Kunstpraxis transmedial, „Alvirah und Willy“ bietet dabei eine interaktive Erfahrung an.
Der räumliche Ausgangspunkt der Arbeit liegt in Südspanien, im Haus der Familie der Künstlerin, konkret in deren Bücherregal. Holzwürmer haben sich durch die Bücher gefressen. Die Künstlerin rekonstruiert die Tunnel der Holzwürmer als begehbares 3D-Labyrinth. Sie vergrößert sie und baut sie zu einer begehbaren Landschaft aus. Stichwort Landschaft: Hat man als Besucherin das interaktive Labyrinth komplett durchlaufen, betritt man durch ein digitales Wurmloch hindurch eine Ebene, die man in 360 Grad betrachten kann. Dabei handelt es sich tatsächlich um die Landschaft, die das Dorf der Familie der Künstlerin in Südspanien umgibt; einen Tagebau, der seit 5000 Jahren aktiv ist. Das Erscheinungsbild des Tagebaus lässt eine massive Form menschlichen Eingreifens erkennen. Künstliche Berge türmen sich auf, Flüsse in der Umgebung sind rot gefärbt. In diesem terrestrisch beschleunigten Transformationsprozess zeigt sich einerseits die Geschichte der profitorientierten Ausbeutung von Landstrichen im Rahmen der Geschichte des Kolonialismus in Südspanien. Zugleich stellt aktuell genau dieser Ort ein Experimentierfeld für die NASA dar, die vorgefundene bakterielle Kulturen untersucht aufgrund vermuteter Parallelen zur Gesteinsstruktur auf dem Planeten Mars.
Die in “Alvirah und Willy“ in einem abstrahierten Erscheinungsbild auf die Besucher:innen wartenden zwei Holzwürmer setzt die Künstlerin u.a. deswegen ein, da Holzwürmer als Spezies vor Ort mit dem Tod in Verbindung gebracht werden. Der Hintergrund dafür ist, dass während der traditionellen Stille an einem Sterbebett im Dorf die Geräusche der sich durch die Materie fressenden Holzwürmer hörbar werden. Läuft man tiefer durch das Labyrinth der künstlerischen Arbeit, werden Alvirah und Willy schließlich zu einer Art Plage, sie springen von einem Display zum anderen… aus dem Browser des Computers hinaus in das Smartphone der Besucher:innen hinein. Als Augmented-Reality-Skulptur bevölkern sie virtuell den analog uns umgebenden Raum.
Seit mehreren Jahren setzt sich Gutiérrez in ihrer forschungsbasierten, künstlerischen Arbeit mit theoretischen Konzepten wie nur z.B. mit Jorge Luis Borges´ „map-territory relationship“ und Donna Haraway´s Idee der Verantwortung in der Kommunikation zwischen den Spezies auseinander. Dabei schafft es die Künstlerin, diese und weitere Theorien zugänglich zu machen, indem sie Wissen in Ereignisse für unseren Sinnesapparat transferiert. Transhumanität, unsere Beziehung zu nicht-menschlichen Tieren, das Reale und das Virtuelle werden in Gutiérrez´Arbeiten spielerisch erfahrbar. Und Digitalität kann des Weiteren dazu dienen, um Erinnerungen zu rekonstruieren. In Hinblick auf „Alvirah und Willy“ geschieht dies nicht aus einer naiven Perspektive heraus, sondern wohl wissend, dass digitale Rekonstruktionen von Verschiebungen und Artefakten gekennzeichnet sind: dass sie Realität verrücken.
Die Umsetzung der Ausstellung wurde durch das Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen ermöglicht.
Digitale Ausstellung Joan Heemskerk und Nieves de la Fuente Gutiérrez online besuchen:
Exhibition – Künstlerinnenpreis NRW (kuenstlerinnenpreis.nrw)


Künstlerinnenpreis des Landes Nordrhein-Westfalen geht in diesem Jahr an Joan Heemskerk und Nieves de la Fuente Gutiérrez

15.000 Euro für unkonventionelle Blicke und experimentelle Ansätze in den Digital Arts – digitale Preisverleihung am 13. Mai 2022

Die Trägerinnen des mit 15.000 Euro dotierten Künstlerinnenpreises Nordrhein-Westfalen stehen fest: Der Hauptpreis in Höhe von 10.000 Euro geht an die niederländische Künstlerin Joan Heemskerk. Die in Spanien geborene und in Köln lebende Künstlerin Nieves de la Fuente Gutiérrez erhält den mit 5.000 Euro dotierten Förderpreis. Der Künstlerinnenpreis wird in diesem Jahr zum ersten Mal mit dem Schwerpunkt „Digital Art“ von der Landesregierung vergeben.

Die Preisverleihung vom 13. Mai 2022 online unter: https://digitalart.kuenstlerinnenpreis.nrw/.

„Joan Heemskerk und Nieves de la Fuente Gutiérrez stehen für einen unkonventionellen Blick und reflektierenden Umgang mit digitalen Technologien. Sie agieren außerhalb kommerzieller Systeme mit einer zutiefst politischen Haltung, die auf ästhetisch unterschiedliche Weise von Neugier, konzeptioneller Stärke und Witz geprägt ist. Ich gratuliere den beiden Preisträgerinnen sehr herzlich zur Auszeichnung,“ sagte Kultur- und Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen.

Mit dem Künstlerinnenpreis zeichnet das Land seit 1996 herausragende künstlerische Leistungen von Frauen aus. Ziel ist es, die öffentliche Präsenz von Künstlerinnen in den unterschiedlichen Sparten zu stärken. Die Trägerin des Hauptpreises wird über ein europaweites Nominierungsverfahren von einer internationalen Jury bestimmt, der Förderpreis wird öffentlich ausgeschrieben. Das Juryverfahren sowie die Preisverleihung werden vom Frauenkulturbüro Nordrhein-Westfalen organisiert und durchgeführt. Kooperationspartner des Frauenkulturbüros ist in diesem Jahr die Kunstsammlung Düsseldorf.


Hauptpreisträgerin

Joan Heemskerk (*1968 in Kaatsheuvel, Niederlande)

Joan Heemskerks Arbeit offenbart das poetische Potenzial, das in allen Geräten und Technologien verborgen ist, von frühen Spielkonsolen über Wifi-Signale bis hin zu Quantencomputern. Sie zeigt und schafft Offenheit, wo die meisten nur Black Boxes, geschlossene Systeme und unzugängliche Codes sehen. Im Mittelpunkt steht dabei fast immer ein Netzwerk, das als fließender und veränderlicher Raum oder System vorgestellt wird, in dem sich alles und jeder bewegt oder aufhält. In dieser instabilen Umgebung baut Joan Heemskerk ihre Objekte, Websites, Installationen und Veranstaltungen auf. Von der experimentellen 3D-Modellierung in „NewMaterialWant“ über die schwindelerregenden Virtual Reality-Autofahrten in „YOLO.360.VR“ bis hin zu ihrer Erforschung des Geotrackings von Schiffen in „Auquay“ und der sich auflösenden Kommunikation innerhalb eines Quantencomputers in „Q&Q (Qliza)“ verbindet Joan Heemskerk bodenständige technologische Experimente mit einem beeindruckend einfühlsamen, poetischen und konzeptuellen Ansatz.

Die Jury hat sich mit einstimmigem Votum für Joan Heemskerk als Hauptpreisträgerin des Künstlerinnenpreises 2022 entschieden. Die Jury schätzt Joan Heemskerk als eine im wahrsten Sinne des Wortes zeitgenössische Künstlerin. Sowohl ihre Arbeit im Rahmen des Kollektivs JODI als auch ihr Einzelwerk ist geprägt von einem unermüdlichen Erkundungsdrang. Software und Hardware werden neu kombiniert und neu interpretiert, um in ein anderes Universum zu passen als das, was in IT-Marketingkampagnen oder Bedienungsanleitungen beschrieben wird. Ihre frühen Arbeiten seit den 1990er-Jahren sind inzwischen von historischer Bedeutung. Auch ihr aktuelles Schaffen gilt als bahnbrechend und erreicht große Sichtbarkeit.

Website der Künstlerin:

www.joanheemskerk.com

www.jodi.org


Förderpreisträgerin

Nieves de la Fuente Gutiérrez (*1988 in Madrid, Spanien)

Nieves de la Fuente Gutiérrez nutzt Virtual Reality, um die Betrachterin-nen und Betrachter ihrer Arbeiten in historische Ereignisse, surrealistische Szenarien oder reale Orte mit besonderer Bedeutung, wie den Hambacher Forst, eintauchen zu lassen. Sie arbeitet an einer fortlaufenden Serie, die sich mit der (Re-)Visualisierung unmöglicher Welten dank des Digitalen und deren Besetzung des realen Raumes beschäftigt. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf computergestützter Bildgebung und Kartierung sowie auf der Beziehung zur visuellen Wahrnehmung – ein relevanter Aspekt in einer Zeit, in der sich computergestützte Bildgebungstechnologien rasant entwickeln. Die Ausführung und Präsentation ihrer Arbeiten sind gut durchdacht. Darüber stellt die Künstlerin ein hohes Verständnis von digitalen Technologien unter Beweis. Sie kombiniert verschiedene Produktionsprozesse mühelos auf eine Art, die ihrem Konzept weitere Tiefe verleiht.

Mit der Vergabe des Förderpreises 2022 an Nieves de la Fuente Gutiérrez zeichnet die Jury eine sehr produktive Künstlerin aus, die in ihrem Werk lokale Inhalte mit globaler Bedeutung adressiert. Diese zeigen neben ihrer Browser-Arbeit zum Hambacher Forst in Erinnerung an Steffen Meyn auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Geschichte eines alten Tagebaus in Südspanien und ihre Tierstudien zu Wölfen. Von Virtual Reality über Augmented Reality, Sound, 3D-Druck, Instagram-Filtern bis hin zu Spielen – sie kennt die Besonderheiten und Unterschiede zwischen (erweiterten) Medien und zeigt sie dem Publikum. Die Arbeiten von Nieves de la Fuente Gutiérrez zeichnen sich durch eine spielerische Navigation zwischen den Schnittstellen von Medien aus, die Künstlerin geht bewusst mit dem Konzept der Immersion um und bringt neue Dimensionen in das Territorium der Science-Fiction ein.

Website der Künstlerin:

www.nievesdelafuente.es


Seit 1996 lobt das Land Nordrhein-Westfalen den mit 10.000 € und 5.000 € dotierten Künstlerinnenpreis NRW in unterschiedlichen Sparten aus.
Bisher wurde der Preis in folgenden Bereichen vergeben:
Multimedia/ Neue Medien, Theaterliteratur, Komposition/ Neue Musik, Keramikkunst, Filmregie, Literatur, Künstlerische Photographie, Popularmusik, Bildhauerei/ Installation, Kamera, Illustration, Theaterregie, Choreografie/ Zeitgenössischer Tanz, Malerische Positionen, Baukunst, Performance, Freie Szene der Darstellenden Künste, Zeichnung, Jazzmusik, Game Design und Dramaturgie.

Eine Übersicht aller Preise, Juries und Laudationes finden Sie hier: Künstlerinnenpreis seit 1996
Alle Förder- und Hauptpreisträgerinnen:  Preisträgerinnen