Im Herbst 2017 verbrachte Astrid Busch im Rahmen des Internationalen Austauschprogramms des FKBs zwei Monate in Georgien und Armenien.
FKB: Was waren deine Beweggründe, dich ausgerechnet für dieses Stipendium in Georgien und Armenien zu bewerben?
Astrid: Grundlage für meine ortsspezifischen Installationen sind Orte, die ich aufgrund ihrer speziellen Lage und Geschichte, Stimmung und Architektur interessant finde. Im Rahmen von früheren Aufenthaltsstipendien habe ich bereits mehrere Installationen, die sich auf den jeweiligen Ort bezogen haben, realisieren können. Die sehr stark durch Umbruch und Aufbruch gekennzeichneten Metropolen Jerewan und Tbilissi , die ungewöhnliche Mischung verschiedener Architekturstile, sowie die Lage und der kulturelle Austausch zwischen Asien und Europa haben mein Interesse für diese Länder sehr geweckt.
FKB: Wie hast du deinen Aufenthalt gestaltet? Bist du viel gereist? Hast du künstlerisch arbeiten können?
Astrid: Ich habe die Zeit vor Ort genutzt, um mir ein Bild von den jeweiligen Städten und Menschen zu machen und habe dabei Architekturen, Stimmungen, Farben und Materialien studiert und fotografiert. Mit meinem Aufnahmegerät habe ich viele Geräusche und Stimmen aufgenommen, sowohl auf der Straße, als auch den beeindruckenden Gesang in Klöstern. Um ein umfassenderes Bild der Länder zu bekommen, bin ich auch gereist; in Armenien im Rahmen der Triennial of Contemporary Arts zu einer Eröffnung in das 1969 erbaute Haus der Schriftsteller am Sewan See. Ein anderes Mal bin ich bis kurz vor die iranische Grenze gefahren und habe auf dieser Tour fünf Klöster besichtigt. Das südlich gelegene Kloster Norawank aus dem 13. Jahrhundert hat mich besonders begeistert, es wurde aus den Felsen der umliegenden Berge gebaut und fügt sich harmonisch in die Landschaft.
Von Tbilissi aus habe ich einen zweitägigen Ausflug in den Norden des Landes nach Stepanzminda unternommen. Auch hier habe ich auf dem Weg mehrere beeindruckende Sehenswürdigkeiten und Klöster besuchen können. Die Ausflüge in die beeindruckenden Landschaften waren sehr wichtig, um ein Gesamtbild der beiden Länder zu erahnen.
Die gesammelten Eindrücke, Fotos und Sounds dienen im Anschluss an die Reise als Ausgangsmaterial für neue Installationen. Ich reflektiere die Orte mit ihren verschiedenen Schichten und Erinnerungsstrukturen. Es entsteht eine Dichte aus Fragmenten, die das Reale segmentiert und in neue Zusammenhänge stellt.
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FKB: Wie hast du die Menschen, die Kunst- und Kulturlandschaft in Georgien und Armenien empfunden? Wo siehst du die deutlichsten Unterschiede zwischen den beiden Ländern?
Astrid: Ich habe die Menschen in beiden Ländern als sehr offen, herzlich und kulturinteressiert wahrgenommen. Armenien ist sicherlich das ärmere der beiden Länder, die Loslösung von Russland ist dort weniger zu spüren als in Georgien. Die schwierige Lage zwischen der Türkei im Westen und Aserbaidschan im Osten isolieren das Land und erschweren die internationalen Kontakte. Zu beiden Ländern gibt es wegen fehlender diplomatischer Beziehungen geschlossene Grenzen. Aufgrund des Völkermordes an den Armeniern 1915, als auch durch den Konflikt um Bergkarabach in Aserbaidschan spürt man die Belastung sehr deutlich.
In Armenien habe ich mich besonders für die sowjetische Architektur interessiert, die sich dort seit den 1920er Jahren entwickelte und das Stadtbild prägt. Besonders die Bauten von Alexander Tamanjan sind hier zu nennen.
Tbilissi zeichnet sich durch ein Architekturpuzzle unterschiedlichster Stile aus: bröckelnde, neoklassizistische Hausfassaden, mittelalterliche Kirchen, die neben sowjetischem Modernismus und futuristischen Strukturen zeitgenössischer Architektur herausragen. Stahl und Glas und damit der Wunsch nach Transparenz, war die favorisierte Kombination Micheil Saakaschwilis, der von 2004 bis 2013 Staatspräsident Georgiens war. Beide Länder zeichnen sich durch ihre historischen Kulturlandschaften, ihre christliche Tradition und den reizvollen, rauhen Landschaften aus. Religiöse Bräuche werden offensichtlich und völlig selbstverständlich in den Alltag integriert, was ich als sehr angenehm empfand.
FKB: Gab es Situationen, die dich besonders herausgefordert haben?
Astrid: Es gab wenige Situationen, die mich besonders herausgefordert haben. Ohne armenische und russische Sprachkenntnisse war es manchmal etwas abenteuerlich, mit öffentlichen Bussen zu fahren. Die unübersichtlichen, nicht endenden unterirdischen Labyrinthe in der Nähe des Tbilisser Hauptbahnhofs, in die man eintaucht, um neue oder gebrauchte Klamotten zu kaufen, Technik oder Haushaltsartikel, waren ein besonderes Erlebnis.
FKB: Welche Begegnung oder welches Erlebnis wird dir nachhaltig in Erinnerung bleiben?
Astrid: Der Ausblick von der Gergetier Dreifaltigkeitskirche zum Berg Kasbek im Großen Kaukasus war überwältigend, sowie der Gesang eines Mädchenchores im Kloster Khor Virap mit Blick auf den Berg Ararat hinter der türkischen Grenze.
Die Zusammenarbeit mit der Kuratorin Eva Khachatryan, die meinen Aufenthalt in Yerevan begleitete, war sehr produktiv. Zwei dort geschlossene Freundschaften werden nachhaltig sein wie mit dem Kurator Gabriel Adams, der mich zu einer Ausstellung im Tbilissi History Museum im Rahmen des zeitgenössischen Festivals „Artisterium“ im November 2017 eingeladen hatte, und zu der amerikanischen Künstlerin Heather Lyon. Mit allen werde ich in Zukunft weitere Projekte planen.
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FKB: Wird dein Aufenthalt in Georgien und Armenien Auswirkungen auf deine zukünftige künstlerische Arbeit haben?
Astrid: Versatzstücke aus all den gewonnen Eindrücken und gefundenen Werbefragmenten werde ich in meine Arbeiten integrieren und daraus neue ortsspezifische Installationen generieren.
Baustellen, Ruinen und Häuserfronten, die nur noch durch die Stabilisierung von Metallträgern gehalten werden, dienen ebenso zur Inspiration wie georgische und armenische Filme.
Versatzstücke aus den gewonnen Eindrücken und gefundenen Werbefragmenten treffen aufeinander, werden überblendet und durch Fragmentierung in einen neuen Zusammenhang gebracht.
Erste Ergebnisse meiner Recherchen zeigte ich bereits in der von Gabriel Adams kuratierten Ausstellung „LIVING ROOM III – IN SITU“ im Tbilissi History Museum im November 2017, sowie in einer noch bis zum 14.1.2018 laufenden Solo Ausstellung bei Hammerschmidt und Gladigau in Erfurt.
Meine Begeisterung für beide Länder ist sehr groß, ich möchte gerne bald wieder dorthin reisen, neue Orte besuchen, die Kontakte pflegen und weitere Projekte vor Ort planen.
Das Interview führte Heidi Matthias
Astrid Busch ist 1968 in Krefeld geboren und studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und an der Kunsthochschule Berlin Weissensee, wo sie ihr Studium als Meisterschülerin von Prof. Katharina Grosse abschloss. Sie interessiert sich besonders für Räume und Orte, die aufgrund ihrer Geschichte, Architektur und Stimmung besondere, spezifische Aspekte aufweisen. Diese Räume und mit ihnen verbundene Ereignisse untersucht sie in Form von ortsbezogenen Interventionen. Wandgroße Fotografien, Fotoobjekte und Videoinstallationen, deren motivische Grundlage im Studio gebaute Objekte aus verschiedenen, sowohl gefundenen, wie eigens hergestellten Materialien und Elementen sind, treten in einen Dialog mit dem realem Raum, erweitern und transformieren ihn.