Dirigentinnen an die Pulte!

 

Fokus: Dirigent*innen – Warum die Klassische Musik fundierte Machtkritik braucht

Unsere neue Publikation ist online abrufbar: Dirigent*innen im Fokus bei transcript   Verlag (transcript-verlag.de)


Interview des publizierenden Verlages Transkript mit frauke Meyer

Warum ein Buch zu diesem Thema?

Frauke Meyer: Erstaunlicherweise schafft es die „Klassische Musik“ in Hinblick auf den Diskurs zu Gendergerechtigkeit und Machtmissbrauch, der in den Darstellenden Künsten seit 2017 massiv praktiziert wird, unter dem Radar zu fliegen und sich Debatten zu entziehen. Nur selten erfahren wir davon, beispielsweise 2019 über Recherchen des Van Magazin zum Machtmissbrauch Daniel Barenboims seinem Orchester gegenüber, 2018 von Belästigungsvorwürfen gegen Daniele Gatti im Royal Concertgebouw Amsterdam oder auch 2018 mit den Belästigungs- und Machmissbrauchvorwürfen gegen Gustav Kuhn, den ehemaligen Intendanten und Musikalischen Leiter der Festspiele Erl betreffend. Diese Vorwürfe haben oftmals keine Konsequenzen und weisen in der Kombination mit dem niedrigen Frauenanteil in höherer Dienststellung bei Spitzenorchestern von 21.9% (MIZ) und überhaupt kaum präsenten weiblich gelesenen und Flinta+ Personen in Dirigier-und Führungspositionen nicht nur auf ein Kulturproblem hin. Vielmehr lassen sich diese Phänomene schon fast als Verweigerung zur Auseinandersetzung mit dem Thema Gender und Machtmissbrauch deuten. Allerdings kommt auch die „Klassische Musik“ in einer Zeit des Umbruchs, in welchem wir mit Publikumsschwund, differenzierten Ansprüchen eines multiperspektivischen heterogenen Publikums und dem Wanken bzw. Hinterfragen von Rollenbildern und Hierarchien kämpfen, gar nicht darum herum sich mit diesen Problemfeldern auseinandersetzen. Denn es geht um nichts weniger als das Überleben und um die Relevanz von Kunst und Kultur, in dem Fall der „Klassischen Musik“.

Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch? 

F.M.: Verschiedene Gesprächspartner*innen und Essayist*innen hinterfragen die mangelnde Gendergerechtigkeit und ihr Zusammenwirken mit anderen Diskriminierungsformen in der „Klassischen Musik“ soziologisch, philosophisch und historisch und suchen nach Ideen und Auswegen, ja einer Vision wie ein gerechtes Musikleben aussehen kann.

Erstmals betrachten die Peers der „Klassischen Musik“ d.h. Intendant*innen, Dirigent*innen, Kulturpolitiker*innen und Wissenschaftler*innen schonungslos den Ist-Zustand und benennen, deutlich intersektional, die genuin klassistischen, rassistischen und diskriminierenden Strukturen von musikalischer Ausbildung, Auswahlprozessen und Repräsentation.

Diese schonungslose Selbstanalyse öffnet den Raum, nicht nur für Anerkennung und Sichtbarkeit, sondern auch als Startpunkt, um Veränderungen wirklich angehen zu können.

Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?

F.M.: Dies ist die erste umfassende Veröffentlichung zu dem Thema Machtmissbrauch und Gendergerechtigkeit in der Klassischen Musik. Mit diesem Buch und seinen multiperspektivischen Betrachtungen auf die „Klassische Musik“ wird ein Anfang für weiterführende Forschung gesetzt und eine sachliche Auseinandersetzung den existierenden Befindlichkeiten gegenübergestellt, so dass dieses Buch Anstiftung für Austausch und Verbindung sein kann. Damit wird zusätzlich ein empowerndes Moment sowohl für die Debatten der „Klassischen Musik“ als auch für weiterführende Forschung gesetzt.

Mit wem würden Sie ihr Buch am liebsten diskutieren?

F.M.: Es gibt natürlich eine Vielzahl von spannenden Musiker*innen, Künstlerischen Leiter*innen, Wissenschaftler*innen und politischen Entscheidungsträger*innen, die sich den Diskursen stellen sollen und teilweise auch wollen. Doch da wir über nicht weniger als einen Paradigmenwechsel der Struktur und Relevanz in der Klassischen Musik sprechen, interessieren uns Menschen und Experten, die solche Transformationsprozesse erlebt und durchgeführt haben und sich aus historisch gewachsenen Korsetten herausgewunden haben, um gemeinsam ein neues Miteinander und neue relevante Narrationen zu definieren.

Ihr Buch in einem Satz

F.M.: Ohne eine fundierte Machtkritik wird sich in der klassischen Musik nicht viel verändern – deshalb ist eine Analyse wie diese der erste Schritt zu mehr Gerechtigkeit und Relevanz.


Darum geht’s: Das Berufsfeld der Musik ist ein Feld des Wettbewerbs. Die Parameter beruhen auf den Erfahrungen und der Arbeitsrealität der letzten Jahrzehnte. Aktuell beginnen sich Strukturen zu ändern, unser Publikum reagiert anders, klassische Rollenbilder kommen ins Wanken, Hierarchien werden hinterfragt, auch die scheinbar klar abgesteckten Felder zwischen dem Institutionellen und Freien stehen in Frage. Dennoch sind weiblich gelesene und Flinta+ Personen selten in den institutionellen und/oder künstlerischen Spitzen von Orchestern, Ensembles oder Konzerthäusern zu finden und der Bereich Musik scheint dem Diskurs „Gendergerechtigkeit, Diskriminierung, Machtmissbrauch und Rassismus“ in den Performing Arts hinterher zu hinken.

Wir fragen in dieser neuen Publikation: Warum ist das so und woran liegt das? Wie können Dirigent*innen – mit besonderem Augenmerk auf die Förderung von weiblichem* Leadership – gefördert werden und können sich diese Institutionen weiterentwickeln, um für Frauen oder anders marginalisierte Flinta+ Personen interessant zu sein? Wenn ja, wie?

🗓️ Pünktlich zum Launch laden wir ein am 16.11.2023 um 19:30 Uhr zur Podiumsdiskussion im Gartensaal der Hochschule für Musik Detmold (@hfm_detmold): Moderiert von Musikjournalist*in Hannah Schmidt (@hahahavannah) diskutieren verschiedene Gesprächspartner*innen und Essayist*innen zum Thema „Fokus: Dirigent*innen – Warum die klassische Musik fundierte Machtkritik braucht“.

➡️ So möchten wir gemeinsam mit unseren Partner*innen und der Musikhochschule Detmold den Diskurs zu einem gendergerechteren Berufsfeld Musik initiieren, den Nachwuchs sensibilisieren und gemeinsam nach strukturellen Lösungen suchen.

Diskutant*innen:

Prof. Florian Ludwig
Dirigieren | Orchesterleitung

Eva Pegel 
Deutscher Musikrat, Projektleitung Forum Dirigieren

Frauke Bernds
Kölner Philharmonie I Konzertplanung

Anna Castro Grinstein
Dirigentin

Frauke Meyer
Künstlerische Projektleiterin, Frauenkulturbüro NRW

Moderation:

Hannah Schmidt
Musikjournalistin I Mitherausgeberin

Frauenkulturbüro NRW e.V. (@das_frauenkulturbuero) • Instagram-Fotos und -Videos

Für alle, die nicht in Detmold dabei sein können streamen wir live:
https://youtube.com/live/58nFcEhT_JY? feature=share

 


Interview des publizierenden Verlages Transkript mit frauke Meyer

Warum ein Buch zu diesem Thema?

F.M.: Erstaunlicherweise schafft es die „Klassische Musik“ in Hinblick auf den Diskurs zu Gendergerechtigkeit und Machtmissbrauch, der in den Darstellenden Künsten seit 2017 massiv praktiziert wird, unter dem Radar zu fliegen und sich Debatten zu entziehen. Nur selten erfahren wir davon, beispielsweise 2019 über Recherchen des Van Magazin zum Machtmissbrauch Daniel Barenboims seinem Orchester gegenüber, 2018 von Belästigungsvorwürfen gegen Daniele Gatti im Royal Concertgebouw Amsterdam oder auch 2018 mit den Belästigungs- und Machmissbrauchvorwürfen gegen Gustav Kuhn, den ehemaligen Intendanten und Musikalischen Leiter der Festspiele Erl betreffend. Diese Vorwürfe haben oftmals keine Konsequenzen und weisen in der Kombination mit dem niedrigen Frauenanteil in höherer Dienststellung bei Spitzenorchestern von 21.9% (MIZ) und überhaupt kaum präsenten weiblich gelesenen und Flinta+ Personen in Dirigier-und Führungspositionen nicht nur auf ein Kulturproblem hin. Vielmehr lassen sich diese Phänomene schon fast als Verweigerung zur Auseinandersetzung mit dem Thema Gender und Machtmissbrauch deuten. Allerdings kommt auch die „Klassische Musik“ in einer Zeit des Umbruchs, in welchem wir mit Publikumsschwund, differenzierten Ansprüchen eines multiperspektivischen heterogenen Publikums und dem Wanken bzw. Hinterfragen von Rollenbildern und Hierarchien kämpfen, gar nicht darum herum sich mit diesen Problemfeldern auseinandersetzen. Denn es geht um nichts weniger als das Überleben und um die Relevanz von Kunst und Kultur, in dem Fall der „Klassischen Musik“.

Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch? 

Verschiedene Gesprächspartner*innen und Essayist*innen hinterfragen die mangelnde Gendergerechtigkeit und ihr Zusammenwirken mit anderen Diskriminierungsformen in der „Klassischen Musik“ soziologisch, philosophisch und historisch und suchen nach Ideen und Auswegen, ja einer Vision wie ein gerechtes Musikleben aussehen kann.

Erstmals betrachten die Peers der „Klassischen Musik“ d.h. Intendant*innen, Dirigent*innen, Kulturpolitiker*innen und Wissenschaftler*innen schonungslos den Ist-Zustand und benennen, deutlich intersektional, die genuin klassistischen, rassistischen und diskriminierenden Strukturen von musikalischer Ausbildung, Auswahlprozessen und Repräsentation.

Diese schonungslose Selbstanalyse öffnet den Raum, nicht nur für Anerkennung und Sichtbarkeit, sondern auch als Startpunkt, um Veränderungen wirklich angehen zu können.

Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?

Dies ist die erste umfassende Veröffentlichung zu dem Thema Machtmissbrauch und Gendergerechtigkeit in der Klassischen Musik. Mit diesem Buch und seinen multiperspektivischen Betrachtungen auf die „Klassische Musik“ wird ein Anfang für weiterführende Forschung gesetzt und eine sachliche Auseinandersetzung den existierenden Befindlichkeiten gegenübergestellt, so dass dieses Buch Anstiftung für Austausch und Verbindung sein kann. Damit wird zusätzlich ein empowerndes Moment sowohl für die Debatten der „Klassischen Musik“ als auch für weiterführende Forschung gesetzt.

Mit wem würden Sie ihr Buch am liebsten diskutieren?

Es gibt natürlich eine Vielzahl von spannenden Musiker*innen, Künstlerischen Leiter*innen, Wissenschaftler*innen und politischen Entscheidungsträger*innen, die sich den Diskursen stellen sollen und teilweise auch wollen. Doch da wir über nicht weniger als einen Paradigmenwechsel der Struktur und Relevanz in der Klassischen Musik sprechen, interessieren uns Menschen und Experten, die solche Transformationsprozesse erlebt und durchgeführt haben und sich aus historisch gewachsenen Korsetten herausgewunden haben, um gemeinsam ein neues Miteinander und neue relevante Narrationen zu definieren.

Ihr Buch in einem Satz

Ohne eine fundierte Machtkritik wird sich in der klassischen Musik nicht viel verändern – deshalb ist eine Analyse wie diese der erste Schritt zu mehr Gerechtigkeit und Relevanz.


Task Force NRW „Dirigentinnen an die Pulte“

Präsentation Dirigentinnen Runder Tisch

Ergebnispapier Dirigentinnen_AN DIE PULTE!

PresseMeldung_Dirigentinnen an die Pulte


Die gravierende Unterrepräsentanz von Dirigentinnen im öffentlichen Konzertleben hatte das Frauenkulturbüro zu Jahresbeginn 2021 veranlasst, zusammen mit dem Landesmusikrat NRW und dem Deutschen Dirigentenforum eine Expert*innenrunde mit dem Thema zu befassen.

Die Ausgangslage ist desaströs: Obwohl sich das Geschlechterverhältnis an deutschen Musikhochschulen nahezu ausgeglichen darstellt, sind Dirigentinnen in öffentlichen Festanstellungen immer noch die absolute Ausnahme. Unter den bundesweit 129 Berufsorchestern finden sich gerade einmal drei Frauen als Generalmusikdirektorinnen. In NRW sind derzeit alle Stellen ausschließlich männlich besetzt.
Die zusammengerufene Fachrunde aus Verbänden, Institutionen, Gewerkschaft und Kulturverwaltungen diagnostizierte überholte Strukturen, Intransparenz und mangelnde Frauenförderung als die zentralen Ursachen.
Als Ergebnis des Runden Tisches legten sie inzwischen eine lange Liste von Empfehlungen in verschiedenen Kategorien vor, die zu mehr Geschlechtergerechtigkeit in Kulturinstitutionen, Theatern und Orchestern führen soll.

Zu den Kernthemen gehören:

Start in den Beruf
Allem voran steht die Nachwuchsarbeit; frühzeitige Qualifizierungsangebote mit Berufsorchestern, Maßnahmen zur Veränderung der Rollenbilder im Dirigat, Systematische Vordirigate im Rahmen der Ausbildung, Mentoring-Programme und die Anhebung der Altersgrenzen bei Wettbewerben und Förderprogrammen.
Organisationsentwicklung
Ebenso wichtig ist es, dass die traditionellen Institutionen wie Orchester mehr Gendersensibilisierung erfahren und ein Bewusstsein für Vorurteile und täglichen Sexismus entsteht, damit sich die Grundatmosphäre verändert bspw. mit einem Code of Conduct, Workshops, Coaching und einer geschlechtersensiblen Kommunikation. Es gilt Auswahlprozesse transparenter zu machen und ästhetisch bewertungsfreie künstlerische Räume wie bspw. in der Neuen Musik zu schaffen. Flankierende Förderungen können hierbei Anreize schaffen, Frauen stärker in den Focus zu nehmen.

Letztendlich soll eine Taskforce NRW die dicken Bretter auf Ebenen von Politik und Kulturinstitutionen bohren, um tatsächlichen auch einen Veränderungsprozess zu mehr Geschlechtergerechtigkeit auf der Leitungsebene in Gang zu setzen

Mittelvergabe
Die Fördermittelvergabe an die Orchester und Organisationen muss gemäß dem Gleichstellungsgesetz an geschlechtergerechten Parametern ausgerichtet sein, sowohl in der Budgetierung als auch im Berichtswesen. Es muss ein Anreizsystem für die Gleichstellung von Dirigentinnen geschaffen werden.

Auch die Transparenz der Auswahlprozesse gilt es zu erhöhen.


Für Rückfragen steht Ihnen unsere künstlerische Projektleiterin Frauke Meyer gerne zur Verfügung: meyer(at)frauenkulturbuero-nrw.de