Musikerin
Laia Genc, 1978 in Berlin geboren, studierte an der Musikhochschule Köln Jazzpiano. Sie war Mitglied des Berliner Jugend Jazz Orchesters, des Landesjugendjazzorchesters NRW und des BuJazzO. 2004 studierte sie als Erasmusstudentin ein Jahr lang am Consérvatoire National Supérieur De Musique Et De Dance De Paris. 2014 führte sie ein Stipendium der NRW Kulturstiftung nach Istanbul, wo sie an ihrem Istanbul Composers OrchestraProjekt arbeitete. 2018 absolvierte sie ihren Master Of Music im Bereich Vocal Jazz am Conservatorium Maastricht. Der Kölner Jazz Preis 2007 ist einer von zahlreichen Preisen, die sie sich allein oder mit ihrer Band LiaisonTonique im In- und Ausland erspielt hat. Sie konzertiert in unterschiedlichen Bandformationen, hat jede Menge CDs herausgebracht und ist auf internationalen Festivals vertreten.
FKB: Laia, bezeichnest du dich als reine Jazzmusikerin? Wie würdest du deine Musik beschreiben?
Laia: Selbst über die eigene Musik zu reflektieren ist immer schwierig, finde ich. Ich ertappe mich sofort bei dem Gedanken: „Kann bitte jemand anders diese Fragen für mich beantworten??? Das wäre doch sinnvoll.“ Ich bin jedenfalls eine Musikerin, die in der europäischen Tradition des modernen Jazz steht. In meiner Musik finden sich meine vielseitigen musikalischen Interessen wieder. In meinen Projekten beschäftige ich mich mit ganz unterschiedlichen Einflüssen. Es gibt da vom Material viel Eigenkomponiertes und somit immer wieder „Ungehörtes“, Ungewohntes für den Hörer. Elemente des Jazz treffen auf freie Improvisation, orientalische Einflüsse werden kombiniert mit Klangflächen und songhaften Strukturen. Ich bin stetige Grenzgängerin an der Schnittstelle von Jazz, tradierten Musikwelten und kontemporärer Musik.
FKB: Welche der bisherigen Stationen deines Lebens oder welche Vorbilder haben deine Musik besonders geprägt?
Laia: Ich denke, am Ende setzt sich aus jedem noch so kleinen Teilchen das Gesamtbild zusammen. In den vielen unterschiedlichen Aktivitäten haben sich mein Verständnis und meine Fähigkeiten gebildet. Und eigentlich möchte ich das gar nicht in der Vergangenheit formulieren. Es bleibt weiterhin so, mit jeder Zusammenarbeit schärft sich mein Verständnis, reifen meine Möglichkeiten. Das Musikstudium in Köln und Paris waren sicher sehr prägende Zeiten. Sozusagen für die musikalische Grundkonstitution. In Köln habe ich bei dem Klaviermagier John Taylor studieren dürfen. Mr. Taylor habe ich schon mit 18 Jahren kennengelernt, zunächst in Berlin und seitdem war er für viele Jahre einer meiner wichtigen musikalischen Mentoren. Die musikalische Szene um den Briten Kenny Wheeler und den großartigen John Taylor hat mich nachhaltig beeindruckt.
Weiterhin war und ist mein Arbeiten in und mit der Kölner Jazzszene eine großartige Sache. Alle Reisen und Auslandsaufenthalte haben mich immer nachhaltig beeindruckt. Meine Studienzeit in Paris war ein sehr intensiver Moment. Ich durfte von den Franzosen sehr viel lernen, besonders das „einfach machen“ war dort zu meiner Zeit der Tenor. Ob es um gemeinsames Spiel oder eine Arrangement-Idee ging. Ich sag mal so, bei uns in Deutschland tendiert man dazu, über alles zunächst zu reden. Das ist bei der Musik oft nicht so hilfreich.
FKB: In welchen Formationen spielst du neben LiaisonTonique?
Laia: LiasonTonique ist mein Jazzpianotrio. Eine der Standardbesetzungen des Jazz, dort arbeite ich seit Jahren an meinem Spiel, meinem Komponieren, meinem Sound. Ich arbeite zusammen mit der wunderbaren Jazzsängerin
Sabine Kühlich. In den letzten Jahren haben wir vor allem ein Tribut an Dave Brubeck zu zweit oder auch oft zusammen mit der einzigartigen
Prof. Dr. Ilse Storb gegeben. In den letzten Jahren habe ich sehr viel in ganz unterschiedlichen Duo-Formationen konzertiert, etwa mit der Sängerin Filippa Gojo und dem Saxophonisten Roger Hanschel. Das ist alles unter dem Tribut „Modern Jazz“ zu sehen.
Dann gibt es das Istanbul Composers Orchestra. Das Projekt, das ich aus meinem Istanbul Stipendium mitgebracht habe. Wir verarbeiten in einer etwas größeren, auch changierenden Besetzung verschiedene Einflüsse, die die Mitglieder des Orchesters mitbringen als Cross Over Jazz – Traditionell – Orientalische Musik. Es gibt das Projekt „L.U.A.“, das in einem Crossover Barockmusik mit Jazz verbindet. Das aktuelle Stipendienkonzert greift mein Béla Bartók Programm auf und entwickelt es weiter. Ich spiele auch in einer Bigband Modern Jazz.
FKB: Du hast eine beachtliche Anzahl von CDs herausgebracht, tourst im In- und Ausland. Konntest du bisher (vor dem Lockdown) von der Musik leben?
Laia: Ich habe von den Konzerten und von Instrumentalunterricht gelebt. Damit mache ich keine großen Sprünge, im Sinne von Großverdiener. Aber ja, ich konnte von der Musik leben.
FKB: Als eine der drei diesjährigen Stipendiatinnen von Präsenz vor Ort, interessiert uns natürlich, was dir die Förderung – neben dem Stipendiatinnen-Konzert im Oktober – ermöglicht hat.
Laia: Das Stipendium bringt Aufmerksamkeit, eine sehr wichtige Sache. Jetzt in diesen verrückten Zeiten musste ich immerhin keinen musikfernen Job annehmen, sondern konnte weiter an meiner Musik arbeiten, ohne mir existenzielle Sorgen zu machen. In einem normalen Jahr hätte ich noch sparen können und dann mit dem Geld eine oder mehrere Produktionen machen können.
FKB: Sicher hat auch dich die Corona-Pandemie seit März in einen Ausnahmezustand versetzt. Konntest du die Zeit für´s Komponieren nutzen? Wie sind deine Aussichten auf Konzerte in diesem und im kommenden Jahr?
Laia: Die Zeit seit März war absoluter Ausnahmezustand. Da mein Sohn gerade erst zwei geworden ist, habe ich, wenn er zu Hause betreut wird, keine freie Sekunde, d. h. ich habe meine Zeit für die Familie eingesetzt. Es ging nicht anders. Ernsthaft arbeiten kann ich dann meist nur nachts. Dieses und nächstes Jahr gibt es ein paar schöne Konzerte, wirklich vereinzelte Termine nur. Kein Vergleich mit zuvor.
FKB: In dem Stipendiatinnenkonzert am 16. Oktober im Loft in Köln beziehst du dich offensichtlich auf den ungarischen Komponisten Béla Barók. Sind es bestimmte Werke, deren Themen du aufgreifst oder sind es eher Stimmungen, die seine Musik vermittelt, die du verarbeitest?
Laia: Im Kern stehen die Rumänischen Volkstänze. Dann die Streichquartette, schließlich lasse ich mich gerne immer wieder von Bartoks Ideen überraschen. Ich nenne mein Programm bewusst „Inspiration From Béla Bartok“, weil ich das aber letztlich generell auf die Musik Bartoks beziehe, nicht auf spezielle Werke. Ich muss allerdings zugeben, dass mich bisher die Klaviermusiken und die Musik im Format des Streichquartetts besonders gereizt haben, damit zu interagieren.
Das Interview führte Heidi Matthias